” Der Hase hat sich eine Fahne zugelegt. Wie man sieht, ist der Hase böse. Sein Mienenspiel lässt darauf schließen. Woher hat er die Fahne? Normalerweise haben Hasen keine Fahnen. Der Ursprung dieses Hasen ist ungeklärt. Als politischen Hase sieht man ihn manchmal auf gewissen Demonstrationen hinter den Mannen einherhoppeln , die den Anspruch vertreten, die Eigentlichen zu sein. Der Hase gibt keine Interviews. Die Vermutung liegt nahe, dass er ein populistischer Hase ist. Möglich, dass er sich ich in nächster Zeit dazu entschließt, eine Partei zu gründen, und zwar: Die Hasenpartei oder besser die Hasenschartenpartei. Das Programm auf seiner Fahne ist noch nicht lesbar. Vielleicht gelingt es ihm tatsächlich, alle Hasen hinter seiner Fahne zu vereinigen. Dann werden alle auf die Fahne schwören. Das wird ein wichtiger Akt! Aber lassen wir uns nicht irre machen: ein Hase bleibt ein Hase – ob mit oder ohne Fahne.”
Vor Zeiten hieß der Donnervogel Paradiesvogel. Er flog von einem Paradies zum anderen, ließ sich an manchen Stellen nieder und hörte der Musik zu, die von unten heraufdrang. Dann flog er weiter zum nächsten Paradies.
Einmal wurde er müde und er musste seine Federn putzen. Also legte er eine Pause in seinen Flügen ein. Als er wieder aufbrach, wunderte er sich sehr. Statt der Paradiese, an die er gewohnt war, tat sich jetzt eine endlose Mondlandschaft unter ihm auf. Der bunte Vogel fragte sich, ob es der gleiche Planet war, den er jetzt überflog wie der, den er vor Zeiten überflogen hatte. Es schien keine Menschen mehr zu geben. Auf dem Boden krochen seltsame Wesen herum, die an nichts erinnerten, was hätte menschlich sein können.
Von nun an nannte er sich Donnervogel.
Feuervogel bewaffnet
DerFeuervogel war einer der letzten Bewohner, der die brennenden Wälder im Süden verließ. Als er flog, brannte er noch, sodass er in der Luft an einen Kometen mit Feuerschweif erinnerte. Sein Gefieder war von Bränden so gehärtet, dass es nicht verglühte, sondern ihn wie ein feuriger Panzer umschloss.
Wo früher nur Wälder gewesen waren, erstreckten sich jetzt endlose Felder mit Pflanzenreihen, deren Sinn im Dunkeln blieb. Der Feuervogel musste landen, um zu rasten, dabei gerieten die Felder in Brand und brannten völlig ab.
Er musste eine neue Umwelt finden, in der er überleben konnte. Er flog nach Norden, denn im Süden war jetzt keine Möglichkeit mehr für ihn. Eine große Stadt lag unten, ein Gebäude mit vielen Stockwerken fiel ihm ins Auge. Dies schien ein guter Platz zu sein, um zu rasten. Auf dem Gebäude stand in feurigen Lettern das Wort “Bank”. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, nachdem der Feuervogel sich darauf niedergelasen hatte.
….Der Generaldirektor hatte sich von seinem Nachtgeschirr, das ganz aus Gold war, und das er gerne auch am Tag benutzte, weil er auf einer normalen Toilette die Ansteckung durch Bakterien fürchtete, soeben erst erhoben, als er das Feuer hörte. An einem Haken ließ er sich an der Rückseite des Gebäudes herab und überlebte knapp. Er beschloss unverzüglich das Regierungsviertel aufzusuchen und den zügigen Wiederaufbau seiner Bank zu fordern, und zwar in einer Größe, die alles übertreffen sollte, was es bisher gegeben hatte. Der Generaldirektor war der wichtigste Berater der Regierung. Gewiss würde sie die große Anzahl goldener Nachtgeschirre, die er bereits gestiftet hatte, nicht vergessen haben. Die zugehörige Ideologie der Marktgesetze besagte ohnedies, dass Gold und angereicherte Fäkalien in einem wirkungsvollen Wachstumsverhältnis zueinander stünden.
Der Generaldirektor überquerte jetzt die große Straße im Laufschritt. Am Steuer des Gigaliners, der ihn gleich darauf überrollte, saß ein Fahrer, der in den Sekundenschlaf gefallen war, weil er 25 Stunden ohne Pause unterwegs gewesen war. Außerden zog ein Funkenschwarm durch die Luft, der dem Generaldirektor vorübergehend jede Sicht raubte, und den er übersehen haben musste. Als er im Jenseits die Augen wieder aufschlug, sah er, dass überall dort, wo die Funken erloschen waren, die winzigen Schädel des Totenkopfäffchens herumlagen….
“Da die Idioten in der Politik und die Verbrecher in den Banken landen, wird es Zeit für den Eingriff der Kugelschnecken. Diese Art Schnecke ist eine seltene Spezies. Sie wurde auf einem anderen Planeten erzeugt. Kugelschnecken sind allwissend, ihr Gehirn ist dreimal so groß das des Menschen und wo sie auftreten, gibt es die totale Ethik. Alle Bösen landen in einem Schneckenhaus und werden im Ozean versenkt. Die Kugelschnecken kehren anschließend an ihren Ursprungsort zurück. Niemand weiß, wo er ist.”
Arche Noah 1
Schon die biblischen Geschichten berichten von einer Sinttflut, die angeblich 2500 Jahre vor der Zeitrechnung stattfand: Und Gott sprach, ich werde ein großes Wasser kommen lassen und darin werden ersaufen alles Vieh, Haus, Hof, Menschen und so fort. Auch Michelangelo stelllte in den Deckenfrescos der Sixtinischen Kapelle eine Sintflut dar: Das Wasser steigt, die Menschen flüchten und diejenigen, die schon in den Booten sitzen, schlagen mit den Rudern auf die Köpfe derer ein, die noch hinein wollen.Die Arche Noah hat also ihre Zeit geehabt, möchte man meinen. Aber nun ist sie wieder da, und zwar auf eine Weise, die man sich erst einmal nicht hätte träumen lassen. Vielleicht findet sich wieder ein Prophet, der das Abschmelzen der Polkappen und das empirisch nachweisbare Ansteigen der Ozeane in einen biblischen Kontext setzt. Die Künstlerin hat hier schon vorgedacht und eine aktuelle Form der Arche Noah entworfen (siehe Bild). Die neue Arche Noah wird keine Tiere mehr befördern-von jeder Art ein Paar-, weil sie ohnehin alle aussterben werden, sondern Gebäude, in denen vielleicht nur diejenigen Menschen sind, die sich einem wenigstens annähernd appetitlichen Lebensstil verschrieben hatten. So könnte der Prophet zum Beispiel sagen : Die moderne Sintflut verschlang all diejenigen Unersättlichen, denen ihre Bequemlichkeit wichtiger war als die Schöpfung eines Gottes, der seine Macht aus den Händen gab und seine Schöpfung dem Homo Ökonomikus des Anthropozäns überantwortete.
Der bemalte Vogel sagte und sagt:
“Ich war auf der Flucht. Ich bin auf der Flucht. Ich werde auf der Flucht sein. Das ist meine Deklination. Vor mir selbst und vor allem. Als ich aus dem Waggon fiel, verlor ich einen Teil meiner Federn. Sie fanden sich später in meinem Kopf, wo sie einen Kreis bilden, der sich unaufhörlich dreht.
Sieht man das Bild?”
Da ist sie, die Waldfee der Bäume. Niemand sieht sie außer den Glühwürmchen, die jetzt ausgestorben sind, und so das Unvermittelbare nicht mehr weitergeben können. Ihr Licht stammt von erloschenen Sternen, die vor der Zeit aus der Milchstraße gefallen sind. Um Mitternacht an Allerheiligen schwebt sie aus den Bäumen, die die Seelen der Toten auf besondere Art in ihren Wurzeln hüten. Sie schwenkt Träume über den Schlaf der Sterblichen, in denen lange vergessene Verwandte plötzlich erscheinen, aus der Erde steigen, lautlos und schmunzelnd. Wenn sich an etwas denken lässt, könnte sie die Vermittlerin sein zwischen denen, die nicht mehr da sind und denen, die nicht mehr lange da sind. Man erinnert sich an ein Geburtsdatum, das verfallen war, fühlt sich gemahnt und schweigt. Das Gebrüll ist verstummt, die Stunde ist da, nur die Glühwürmchen halten das Licht.
Auf zwei schwankenden Flügeln zieht der Planet durch das All. Wenn die Flügel zum Schlag ausholen, hält der Flug kurz an: Vulkane brechen aus und Ozeane überschwemmen die Küsten der Kontinente. Der dritte Flügel ist unsichtbar. Er ist aber der wichtigste. Er besitzt das Gedächtnis der Evolution, er kennt die Mysterien der Schwerkraft, die das Sonnensystem durch das Universum ziehen lässt. Seit die Vernichtung der Arten durch die Menschheit an Geschwindigkeit zunimmt, verliert er Stück für Stück seine Federn. Wenn die letzte Feder abreißt, wird der Planet kometenähnlich ziellos durch das All fliegen, den Leuten wird der Sonnenwind durch ihre Hirne pusten, die Haare werden ihnen fehlen und sie werden sich in Watte auflösen, die schon das Hüsteln eines Rotkehlchens in das All hinaustreibt.
Im Rahmen der absoluten Verwertungs- und Vernutzungsgesellschaft hat der Mensch (homo salamicus ) seit langer Zeit jeden sinnvollen Kontakt zur Tierwelt verloren. Tiere sind entweder Schlachtvieh (industrielle Massentötung), Amüsiermaskottchen (im Zoo) oder vernichtenswerte Hindernisse bei der Erschließung von Ressourcen (Artensterben in der Regenwaldverbrennung). Umso verdienstvoller ist es, dass sich die Künstlerin, die wir im Bild sehen, nun ein besonders gefährdetes Objekt, nämlich das Seepferdchen, so auf die Nase gepflanzt hat, das das Aussterben dieser Spezies vorläufig eingedämmt werden könnte. Wir bemerken, dass sich die Künstlerin in der unmittelbaren Gesellschaft des Pferdchens ausgezeichnet befindet. Andernfalls würde sie nicht schmunzeln. Das Seepferdchen zeichnet sich durch besondere Eleganz und eine niedliche Ästhetik aus, weshalb es wie ähnliche Arten von der Ausrottung bedroht ist. Auf der Nase der Künstlerin wird es wie auf der Arche Noa vielleicht die größten Gefahren vorläufig überstehen, solange die Künstlerin keinen größeren Schnupfen bekommt und gezwungen ist, das Pferdchen abzuniesen. Vorher könnte man es in einem Aquarium aussetzen, wo es zur Arterhaltung beitrüge.
Das Kreuz steht im Wind. Es ist ein Wüstenwind, der aus dem Nichts herweht. Es kann ein Blutwind sein. Manchmal färbt er sich rot, je nachdem wie Gott die Laune steht. Das Kreuz steht vor der Wüste, aber es hält die Wüste nicht auf, obgleich manche das glauben. Es ist ein Wüstenkreuz. Es lebt wie die Religion im Ursprung der Wüste. Das dazu passende Motto lautet: wo Eure Wüsten sind, da ist auch Euer Herz.
Sela.